Erhalten Sie Einblick in die mittelalterliche Geschichte des Ritterguts Bettensen
Der erste erhaltene Lehensbrief zum “Hochadeligen Gute” Bettensen datiert aus dem Jahr 1439. Lehensgeber in dieser Urkunde, die sich allerdings nur auf vier Hufen Landes bezieht, war Herzog Bernd von Sachsen, Westfalen und Engern (Bernhard II. von Sachsen-Lauenburg), in späteren Urkunden das Gut selbst betreffend, die Grafen von Hallermundt und die Grafen von Wunstorf, später teils die Bischöfe von Minden und die Herzöge von Braunschweig bzw. Calenberg. Die Minden´schen Lehen wurden in nachfolgenden Urkunden durch den Markgrafen von Brandenburg vergeben.
Mittelalter bis 1641 – Die Hahnensee
Seit der ersten erhaltenen Lehensurkunde waren die Herren von Hahnensee (Hanenze, Hanensee) mit Bettensen belehnt. Wir wissen wenig über diese Familie, abgesehen davon, dass sie ihre Grablege in der Kirche zu Ronnenberg hatten und dort wohl auch das Patronat inne hatten. Die letzten beiden Brüder waren Obristen im 30 jährigen Krieg, zuletzt im kaiserlichen Dienst; Urkunden im Landesarchiv legen nahe, dass die beiden möglicher Weise von ihnen befehligten Truppen ohne Erlaubnis vom calenbergischen zum kaiserlichen Heer überführt haben, was denn auch das recht plötzliche Verschwinden der Familie erklären würde. Zudem ist nach einer Urkunde aus dem Jahr 1640 Friedrich Jobst von Hahnensee des mehrfachen Mordes angeklagt gewesen, was zum Anlass genommen wurde, den zuständigen Amtmann mit einer genauen Beschreibung des Gutes zu beauftragen. Ob sich diese ebenfalls im Landesarchiv befindet, ist noch herauszufinden, denn die Aktenlage des Gutsarchivs vor 1712 ist extrem dünn. Auch den Prozess gegen Friedrich Jobst Hahnensee selbst und dessen Ausgang haben wir nicht recherchiert. Die Tatsache, dass kurz darauf 1641 ein Lehenswechsel stattfand, lässt allerdings einen eher ungesunden Ausgang für den letzten Hahnensee auf Bettensen erahnen.
1641 bis 1665 – Die Stedings
Bereits 1636 “ertheilte Hertzog Georg Höchstseel. Andenckens seinem Geheimbten Rath und Hoffmarschall Johann Eberhard Städing [v. Steding] auf vorbeschriebenen Hanensehischen Lehn-Güther eine Special-Anwartschafft, deren Erfüllung schon Ao. 1641 erfolgte.” (Protokoll der Übergabe des Allodii auf dem hochadeligen Gute Bettensen von 1765).
Das war aus heutiger Sicht ein außerordentlicher Vorgang, denn der neue Lehnsmann war genau genommen ein Mörder. Steding wuchs mit seinem Bruder Wilken im Schloss zu Pinneberg auf, wo sein Vater Landdrost des Grafen Ernst von Holstein, Schaumburg und Sternberg war. Im März 1618, nach Rückkehr von seinem Jurastudium in Jena, eskalierte ein offenbar schon länger währender Streit mit dem Amtmann Gossmann. Die Brüder v. Steding verprügelten den hohen Beamten kurzer Hand und als dieser das Schloss mit der Kutsche verlassen wollte, sprang Johann Eberhard Steding spontan zurück und erstach den Amtmann “durch die Gurgel”. Erstaunlicher Weise überstanden die Brüder die Gerichtsverhandlung in Stadthagen fast unbeschadet und Johann Eberhard v. Steding wurde 1620 zum Hofrat in Wolfenbüttel und 1636 zum Geheimen Rat und Hofmarschall, fast gleichzeitig erhielt er die Expectanz auf Bettensen und 1641 wurde er mit Bettensen belehnt. 1642 wurde er in der Schlosskapelle von Hannover beigesetzt. Lehensbriefe an die Stedings sind im Gutsarchiv nicht erhalten bzw. möglicher Weise bei einem der diversen Einbrüche abhanden gekommen. Da das Lehen erst 1665 an die Nachfolge-Familie weitergegeben wurde, muss Johann Eberhard Steding einen Sohn oder einen anderen mitbelehnt Verwandten gehabt haben. Sein Bruder Wilke jedenfalls starb offenbar bereits 1641. In einer undatierten Urkunde im Landesarchiv ist von einem Heinrich Steding, Erbherr auf Bettensen und Wettbergen die Rede. Hier ist sicherlich noch einiges an Details zu erforschen.
Das gilt auch für die Herkunft der Familie selbst. Vater Johann v. Steding tritt 1586 in Erscheinung, als er das Rittergut Holzhausen (heute Bad Holzhausen bei Preußisch Oldendorf), vorher im Besitz der Familie Schloen genannt v. Gehlen, an sich brachte.
(Quelle 2. Absatz (neben eigenen Recherchen): Machenschaften und Mord, Internetpublikation von Jürgen P. Strohsal 2012, Stadtarchiv Wedel; Quelle 3. Absatz: K.A. v.d.Horst, Die Rittersitze der Grafschaft Ravensberg und des Fürstentums Minden, S. 13)
1665-1712 – Die Grapendorffs
Unter anderem auf Bettensen “erhielte auch bald hernach, nehmlich 1651, von dem Durchlauchtigsten Hertzoge Georg Wilhelm deßen geheimer Cammer-Rath und Hoff-Marschall Hieronymus von Grapendorff eine Special-Expectantz.”, 1665 wurde Bettensen an Hieronymus von Grapendorff übergeben. Dessen Leben ist recht einfach nachzuvollziehen, schon da es eine ausführliche, gedruckte Totenrede auf ihn gibt.
Die Familie v. Grappendorff (auch: Groppendorf) stammt aus Westfalen und war dort auf Gut Gröpperhof (Kreis Lippe) und auf Gut Schockemühle (wohl heute auf dem Gebiet des Stadtteils Ulenburg in der Stadt Löhne) ansässig. Es handelte sich auf jeden Fall um Verwandtschaft der Stedings, denn Wilke, der Bruder Johann Eberhards, war mit einer Agnes v. Grapendorff verheiratet.
Hieronymus v. Grapendorff war ein Enkel des Obristen Jürgen (Georg) v. Klencke, Hämelschenburg, und Stiefsohn von Hans-Adam v. Hammerstein-Equort, Landdrost zu Hoya. Ab 1646 war er Hofmeister (Erzieher) des späteren Herzogs Ernst August von Braunschweig-Lüneburg und ab 1653 Geheimer und Kammer-Rat des Herzogs Georg Wilhelm in Hannover, ab 1665 in Celle. Ab 1667 war er Großvogt des Herzogs Georg Wilhelm in Celle bis zu seinem Tode 1671. Nach seinem Tode ging das Lehen an seine drei Söhne über, der jüngste, ebenfalls mit Namen Hieronymus, starb kinderlos 1712.
(Quelle: Gutsarchiv Bettensen und Roland Linde, Höfe und Familien in Westfalen und Lippe Band 2 Das Rittergut Gröpperhof)
1712 – 1765 – Die Grotes
Bereits 1665 erhielt Otto v. Grote eine General-Expectanz, aufgrund derer letztlich im Jahre 1712 (nach dem Freiwerden des Bettenser Lehens) seine Söhne mit Bettensen belehnt wurden. Im selben Jahr, also 1665, wurde Grote Geheimer Rat und Kammerpräsident unter Herzog Johann Friedrich von Braunschweig-Lüneburg, eine Funktion, die er auch unter dem Nachfolger Ernst August, dem späteren Kurfürsten von Hannover, ausübte. Grote war de facto erster Minister und auch im Alter ehrgeizig und äußerst standesbewusst. Denn noch 1689 erwarb er von den Fürsten von Waldeck die reichsfreihe Herrschaft Schauen (heute ein Ortsteil von Osterwieck in Sachsen-Anhalt), eine 200-Seelen-Herrschaft die in erster Linie mit Kosten verbunden war, Grote aber zum Reichsfreiherrn Grote zu Schauen machte. Die Übergabe von Bettensen hat er freilich selbst nicht mehr erlebt, denn er starb bereits 1693, mitten in den Verhandlungen mit Dänemark, in Hamburg. Seine 5 Söhne wurden als Lehnsnachfolger belehnt, von denen allerdings bis 1715 3 starben. letztlich blieb – ab 1730 – als einziger Lehensnehmer sein Sohn Heinrich, der das gesamte Grote´sche Erbe auf sich vereinigte. 1753 starb Heinrich 78 jährig, Bettensen fiel an seinen Vetter Georg auf Wrestedt. Dieser überlebte ihn nur um wenige Jahre und starb im November 1764. Damit erlosch die mittlere Linie der Grotes.
1765 – heute
1749 erhielt Philipp Adolph v. Münchhausen, als Leiter der Deutschen Kanzlei in London großbritannischer Minister, eine General-Lehensexpectanz, also eine Anwartschaft auf das nächste frei werdende Lehen im Kurfürstentum Hannover. 1764 verstarb der letzte Grote auf Bettensen ohne Söhne und ohne mitbelehnte Verwandte. Philipp Adolph allerdings starb bereits 1762 auf der Heimreise von London auf sein Stammgut Steinburg (heute südliches Sachsen-Anhalt) in Hannover. Belehnt wurden daher seine Söhne, als Hauptlehensnehmer fungierte der Geheime Kriegsrat und Viceoberstallmeister Friedrich Otto von Münchhausen, der im siebenjährigen Krieg die Versorgung der hannoverschen Truppen verwaltete. Friedrich Otto blieb unverheiratet und kinderlos, so dass 1797 sein Neffe Philipp Adolph Friedrich nachfolgte. Der hatte bereits 1793 Reformpläne für eine Abschaffung der Hand-, Spann- und Frondienste veröffentlicht (“Über Lehnsherrn und Dienstmann“) und zu deren Umsetzung für sein Gut Steinburg auch die Erlaubnis des sächsischen Landesherrn erhalten. Seine – durchweg positiven – Erfahrungen publizierte er 1801 in seinem “Umständlichen Bericht“, der aber nicht auf die Resonanz stieß, die man vielleicht erhoffte.
Seit dieser Zeit ist Bettensen in gerader Linie in der Familie.